Secondo Casadei, der größte Interpret der romagnolischen Volksmusik und wichtigster Vertreter des Phänomens „Liscio“, wurde am 1. April 1906 in Sant’Angelo di Gatteo (Forlì) geboren. Der Familientradition nach hätte er das Schneiderhandwerk erlernen müssen, aber er fühlte sich ganz und gar zur Musik hingezogen. Nach einigen Jahren des klassischen Studiums gab er den Geigenunterricht auf und widmetet sich seiner großen Leidenschaft: der Tanzmusik. Im Alter von nur sechzehn Jahren gab er sein erfolgreiches Debüt in einem Orchester, doch sein größter Wunsch war es, ein eigenes Ensemble zu gründen. Sein Traum wurde 1928 wahr: in Gatteo Mare, am Lido Rubicone debütierte das Orchester Casadei. Es war ein Sextett, ein völlig neuartiges Ensemble für ein romagnolisches Orchester. Neben der C-Klarinette, den beiden Violinen, dem Kontrabass und der Gitarre gab es einen Sänger und zwei neue Instrumente aus dem Jazz: das Saxophon und das Schlagzeug. Anfang der 30er Jahre begann Secondo Casadei eine Reihe von Liedern im romagnolischen Dialekt zu schreiben, um seinem Volk die Möglichkeit zu geben, seine Gefühle in der Landessprache zu besingen. Berühmt werden: „Burdèla Avèra“, „Un bès in biciclèta“, „Balé burdèli“ und viele andere. Er war ständig am Schreiben und jedes kleine Ereignis genügt ihm, um ein neues Lied zu komponieren. Seine Ader war unerschöpflich und das Publikum verehrte ihn und zeigte ihm bei jeder Gelegenheit Zuneigung und Sympathie. Secondo Casadei war ein Wegbereiter und Vorreiter, stets offen und in die Zukunft blickend, der auf jedes Detail und jede Neuheit achtete, mit der Professionalität, dem Talent und der Leidenschaft, die ihn auszeichneten. Er ließ sich nicht entmutigen, als die Nachkriegszeit die amerikanische Musik mit sich brachte, die sich in allen Tanzsälen verbreitete, und er war der einzige Orchesterleiter, der seine romagnolische Musikrichtung trotz aller Schwierigkeiten treu und hartnäckig verteidigte.
Ende der 50er Jahre trat sein Neffe Raoul dem Orchester bei und brachte frischen Wind und neue Energie. Zusammen schrieben sie beliebte Lieder: eine außerordentlich erfolgreiche Kombination aus Erfolg und Sympathie. So entstand das Orchestra Spettacolo Secondo & Raoul Casadei, das jeden Tag des Jahres (mehr als 365 Konzerte, manchmal 2 an einem Tag!) auftrat, außer am 2. November, dem ersten Tag der Fastenzeit und in der Osternacht. 1966 wurde Secondo Casadei zum Cavaliere della Repubblica Italiana ernannt, und auch die Presse interessierte sich sehr für ihn, aber der, der ihm zu großer nationaler Popularität verhalf, war Vittorio Salvetti, der ihn mit außergewöhnlichem Erfolg an Festivalbar teilnehmen ließ.
Seine 1048 Aufnahmen sind der musikalische Hintergrund aller bedeutenden Ereignisse seines Lebens und dem all derer, die ihm folgen. “Romagna mia ” (1954), das inzwischen in der ganzen Welt getanzt und bekannt war, auch dank Radio Capodistria (damals sehr populär) und dank des Aufkommens von Jukeboxen, hat Secondo Casadei zu internationalem Ruhm verholfen.
Bei jeder Gelegenheit gelang es ihm, seinen Musikern (stets hervorragende Profis, die ihrerseits erfolgreiche Orchester gegründet haben) Enthusiasmus, Schwung und Liebe zu einer Musikrichtung zu vermitteln, die, wie er sagte, nie vergehen würde, solange es einen einzigen Menschen gibt, der Lust zum Tanzen hat.
Am 19. November 1971 starb er zum Unglauben und zur Trauer seines Volks und sein Dirigentenstab ging an seinen Neffen Raoul Casadei über und später, im Jahr 2000, an seinen Sohn Mirko.
Der „Strauss der Romagna“, wie ihn der Schriftsteller Leandro Castellani definierte, war ein Musiker, der sich in die Herzen der Menschen gespielt hatte. Mit seinem Orchester unterhielt, verkuppelte, verlobte und verheiratete er Generationen von Romagnoli und Italienern. Er hat seiner Heimat Ansehen verschafft und sie in der ganzen Welt durch eine Musik bekannt gemacht, die einen starken Ausdruck der Identität der Romagna darstellte und noch immer darstellt: So wie Federico Fellini die lebendige und zugleich melancholische Seele der Romagna verkörpert, so hat Secondo Casadei durch seine Noten den Charakter, die Identität, die Leidenschaften und die Werte der Romagna vermittelt. Das temperamentvolle Land der Romagna „solatia dolce paese in cui regnaron Guidi e Malatesta, cui tenne pure il Passator Cortese” (Das süße Land, in dem Guidi und Malatesta regierten, zu dem auch Passator Cortese gehörte) wurde auch dank „Romagna mia“, der berühmten „Hymne“ des Maestros und seiner mehr als tausend Kompositionen, bekannt.
Im Jahr 2006, anlässlich seines 100. Geburtstages, erschien „L’uomo che sconfisse il boogie“, ein Dokumentarfilm über sein Leben vom Regisseur Davide Cocchi, der die Aussagen derer, die ihn kannten, zusammen mit unveröffentlichtem und kostbarem Filmmaterial zusammengetragen und beim Roma Music Doc Fest- Festival im Palazzo Venezia den ersten Preis für den besten Folk-Pop-Jazz-Dokumentarfilm erhielt.
In Sant’Angelo di Gatteo, in der Nähe seines Geburtshauses, wurde ein wunderschöner und reizvoller Verkehrskreisel nach ihm benannt, nur wenige Schritte von der Mautstelle „Valle del Rubicone“ entfernt, mit der Silhouette seines Orchesters und den Worten seiner „Romagna mia“.
Sein Werk wird von Riccarda Casadei, seiner Tochter, in Zusammenarbeit mit seiner Familie, die das künstlerische Erbe ihres Vaters im Laufe der Zeit weitergeführt hat und es bis heute mit großer Liebe und Leidenschaft weiterführt.